Glauben: Junge Menschen suchen, aber sie gehen andere Wege als die ältere Generation
Die heute 14- bis 18-Jährigen wachsen auf mit Internet, sozialen Netzwerken und Leistungsdruck. Wieviel Platz hat da der Glaube?
Die Emotionen in der Pubertät sind wie das Wetter im April. Weltschmerz und Minuten später Überschwänglichkeit, Planlosigkeit und selbstgewisse »Ich bin der König der Welt«-Attitüde. Was will der junge Mensch, der nicht weiß, was er will?
»Jugendliche geben es vielleicht nicht immer zu, aber sie suchen Geborgenheit, die Erfahrung von Weite und stabile Beziehungen«, sagt Andreas Holtz, Landesjugendpfarrer der mitteldeutschen Kirche (EKM). So sieht es auch Frederik Seeger, Gemeindepädagoge in Mühlhausen. Und ähnlich heißt es in der Shell-Jugendstudie von 2010: »Die jungen Leute fordern sozialmoralische Regeln ein, die für alle verbindlich sind.«
Wie ist sie noch, die Jugend? Seeger und Holtz wählen dieselben Begriffe: Suche und Offenheit. »Bei ihrer Suche denken Jugendliche lange nach und sie kritisieren viel mehr als noch vor 40 Jahren«, so Seeger. Holtz ergänzt: »Die klaren Antworten werden meist argwöhnisch betrachtet.« Der Glaube an einen christlichen Gott scheint, von außen betrachtet, kaum attraktiv zu sein. Warum Jugendgruppen besuchen, wenn ein Facebook-Konto mehr Freunde verheißt? Und dann noch im vom christlichen Glauben wie leergefegten Mitteldeutschland. Der Landesjugendpfarrer interveniert: »Die Offenheit für und das Interesse an Glauben ist überall vorhanden.« Jugendliche haben eine Ahnung, wo sie Substanz erwarten können. Noch immer ist Kirche dieser Ort, an dem junge Menschen Tiefe erhoffen. Eine Studie von 2012 brachte wissenschaftliche Gewissheit: Jugendliche können überraschend gut über ihren Glauben sprechen – wenn man sie lässt. Sie können sich auf ihn einlassen – wenn sie ihn als sinnvoll erleben. Und sie erleben ihn intensiv – in Beziehungen zu Gleichaltrigen.
Was Jugendliche theologisch äußern, klingt mitunter fremd. »Ich bin gerne evangelisch, da es eine Konfession ist, in der sich Yin und Yang das Gleichgewicht halten«, sagt eine 15-Jährige in der Studie. Wer aber, so Holtz, die Suchenden vorschnell mit einer richtigen Dogmatik korrigiert, verbaue vielleicht den Weg, den Gott mit ihnen vorhat. Was sie eher brauchten als die reine Lehre, wäre ein offenes Gegenüber, an dem sich abgearbeitet, aber auch angelehnt werden könne. »Wollen wir sie überzeugen oder einladen, mit uns einen Weg zu gehen?«, fragt auch Frederik Seeger. Noch ist Kirche ein relativ attraktives Gegenüber für viele, auch konfessionslose Jugendliche. Damit sie es bleibt, müsse sie echt und offen sein. Mit authentischen Glaubenszeugen, so Andreas Holtz, die sprachfähig sind. »Worte wie Gnade oder Auferstehung sind für Jugendliche Worthülsen.« Es ist zu fragen, wie sie gefüllt und vermittelt werden können.
Denn auch kulturell sind junge Menschen »Feinschmecker«, wie Holtz beobachtet hat. Und er fügt, man spürt einen gewissen Ärger, hinzu: »Zu oft heißt es sinngemäß: Hoffentlich bleiben uns die Jungen erhalten und machen alles so wie wir.« Dann also eher Kritik an den Älteren als an der jungen Generation, Herr Pfarrer? »Wenn Ältere junge Menschen kritisieren, dann oft aus Eifersucht: Jugendliche sind in einem geheimnisvollen Land, das sie kaum überblicken und in das die Älteren nicht mehr hineinkommen. Besser wäre es doch, über die Weite der Jungen zu staunen.« Und über den Weg, den Gott mit ihnen geht.
Stefan Körner
http://www.shell.de/aboutshell/our-commitment/shell-youth-study/2010.html