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Auswendiglernen macht schlau

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Gedankensport: Gerade in Notzeiten haben auswendig gelernte Worte und Gebete Menschen getragen

Rogate – betet, so lautet die kirchliche Bezeichnung für diesen Sonntag. Doch wie und wofür betet man richtig?

Eine Frage, die auch die Jünger Jesu beschäftigte. Jesu Antwort: das Vaterunser. Bis heute betet es die Christenheit auf der ganzen Welt. Wirklich? In Deutschland kennt es jeder Zweite auswendig. Klingt gut, bedeutet aber im Umkehrschluss, dass bei nominell rund 60 Prozent Mitgliedern christlicher Kirchen auch etliche ohne Textvorlage nicht mitsprechen können. Von anderen Bibelstellen wie Psalm 23, der Bergpredigt, Jesu »Ich bin«-Worten oder den Zehn Geboten, Luthers kleinem Katechismus und den kernigen Trost- und Glaubensliedern eines Paul Gerhardt ganz zu schweigen. Und es werden wohl immer mehr Nichtkenner. Denn Auswendiglernen gilt bei vielen als mega-out. Zumindest in der kirchlichen Konfirmanden- und Jugendarbeit. Statt »sturem« Auswendiglernen, so hört man immer wieder, sollen die jungen Menschen lieber Zusammenhänge erkennen, durch Verknüpfungen zu eigenen Erkenntnissen und Überzeugungen gelangen. Bloß: Zum Verknüpfen bedarf es fester Punkte, sicherer Fakten.

Warum auswendig lernen, steht doch alles im Internet? – Wer auswendig lernt, begreift Inhalte besser und schult das Gedächtnis. Fotos: sveta – Fotolia

Warum auswendig lernen, steht doch alles im Internet? – Wer auswendig lernt, begreift Inhalte besser und schult das Gedächtnis. Fotos: sveta – Fotolia

Abgesehen davon haben Studien gezeigt, dass das Auswendiglernen zu Unrecht in Verruf ist. Jeffrey Karpicke vom Psychologischen Institut der Purdue Universität in Indiana (USA) hat es getestet. Studenten sollten sich einen wissenschaftlichen Text einprägen, um anschließend möglichst viel vom Inhalt wiedergeben zu können. Eine Gruppe bediente sich dabei der Methode des »Concept Maps«. Dabei wird zum Inhalt eine Art »Begriffslandkarte« erarbeitet, auf der mit Pfeilen und Diagrammen Begriffe visualisiert und Inhalte verknüpft werden. Die andere Gruppe versuchte, sich die Inhalte durch sture Wiederholung einzuprägen.

Das Ergebnis: Die Auswendiglerner wussten hinterher wesentlich mehr vom Inhalt, wie die Tageszeitung »Die Welt« vor einigen Jahren zu berichten wusste. Selbst im Blick auf das Langzeitgedächtnis waren die traditionell Lernenden im Vorteil. Auswendiglernen gehört seit jeher zur jüdisch-christlichen Kultur. Der Anfang der biblischen Überlieferung, vor der schriftlichen Fixierung, ist das Weitererzählen. Martin Luther war der Meinung, dass ein Christenmensch – neben dem kleinen Katechismus – auch die gesamten Psalmen auswendig kennen sollte. Solche auswendig gelernten Worte und Gebete haben Menschen immer wieder durch Not- und Leidenssituationen getragen. Gerade dann, wenn keine Bibel, kein Nachschlagewerk, kein Liederbuch zur Hand war.

In Nordkorea, so berichten Missionswerke, lernen die in der Illegalität lebenden Christen ganze Bibelabschnitte auswendig. Nur so können sie den Schatz des Evangeliums weitertragen in einer Gesellschaft, in der der aufgedeckte Besitz einer Bibel oft genug einem Todesurteil gleichkommt.

Freilich geht es dabei nicht um stures Pauken von Fakten. Im Englischen spricht man vom »to know something by heart« – »etwas mit dem Herzen wissen«.

Immerhin gibt es Ansätze einer Trendwende, auch in den Kirchen. Der Schweizer Pfarrer Peter Schafflützel entwickelte als Hobbyinformatiker bereits vor sechs Jahren die Bibel-App »Remember Me« (Erinnere mich). Sie will dabei helfen, in spielerischer Art Bibelverse auswendig zu lernen. Zwar könne er Bibelverse auch jederzeit mit seinem Smartphone nachschlagen, aber: »Die auswendig gelernten Texte trage ich in meinem Herzen, wodurch sie ein zusätzlicher Kommunikationskanal zwischen Gott und mir sind«, erklärt er. Bereits im vergangenen Jahr hatten mehr als eine Million Menschen sich diese App, die der Pfarrer ständig weiterentwickelt, auf ihre Smartphones geladen.

Von einem steigenden Interesse am Auswendiglernen berichtet auch das Missionswerk »Die Navigatoren« in Bonn. Ihr vierteiliges Bibelvers-Auswendiglern-Projekt »Bible to grow« hat sich zu einem richtigen »Renner« entwickelt. »Lass Gottes Verheißungen in Kopf und Herz hinein und erlebe, wie sie dein Denken und Handeln verändern«, heißt es dazu auf der Website.

Harald Krille

http://de.remem.me

www.navigatoren.de/b2gr


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